Haushaltsrede der Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Eschborn am 16.11.2017
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren,
In meiner Rede möchte ich mich auf Eschborns Infrastruktur konzentrieren. Auf eine Infrastruktur, die unsere Stadt zukunftsfähig macht und lebenswert erhält, weil sie sowohl Unternehmen wie
auch den hier lebenden und arbeitenden Menschen eine langfristig tragfähige Perspektive bietet. Kurz gesagt es geht um Mobilität, Wohnen und das soziale gesellschaftliche
Miteinander.
Zukunftsfähig ist ein Mobilitätskonzept, das Menschen und Unternehmen gleichermaßen mitnimmt und dabei zugleich ökologisch verträglich, sozial verpflichtet und gerecht sowie ökonomisch
effizient ist. Es legt den Kapitalstock für eine auch in Zukunft gute wirtschaftliche Entwicklung. Wer beim Thema Mobilität so wie Sie nur den motorisierten Individualverkehr sieht, handelt
kurzsichtig. Staus, Lärm und eine steigende Luftverschmutzung gefährden neben der individuellen Gesundheit auch unsere regionale Wettbewerbsfähigkeit. Die Gewerbegebiete brauchen eine
verlässliche und zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur, die der wachsenden Zahl der Unternehmen und der dort beschäftigten Menschen gerecht wird.
Nachhaltig und damit zukunftsfähig ist eine Verkehrspolitik, die neben dem Individualverkehr auch den öffentlichen Personennahverkehr berücksichtigt und bequeme Übergänge zwischen den
unterschiedlichen Verkehrsmitteln schafft. Wer ausschließlich in den Straßenbau investiert verlagert nur den morgendlichen und abendlichen Stau, was langfristig keine Lösung sein kann. Hören
Sie auf damit, den öffentlichen Personennahverkehr und den nicht motorisierten Individualverkehr zu vernachlässigen!
Seit Jahren beklagen die Menschen in Eschborn und Niederhöchstadt neben dem Zustand ihrer Bahnhöfe auch die für sie unwirtschaftlich hohen RMV-Tarife. Kein Wunder also, dass sich viele dafür
entscheiden mit dem Auto entweder direkt bis nach Frankfurt oder – auch um in Frankfurt Parkgebühren zu sparen – zumindest bis zum Bahnhof Eschborn-Süd zu fahren. Man kann es ihnen nur schwer
verdenken, wirtschaftlich gesehen ist das sogar verständlich, verkehrs- oder umweltpolitisch jedoch läuft da etwas gewaltig falsch. Nehmen Sie endlich das nötige Geld in die Hand und sorgen
Sie dafür, dass ganz Eschborn in den Genuss der Frankfurter Tarifzone kommt.
Enttäuschend Ihre Bilanz beim Thema Radverkehr: 2017 haben sie gar nichts auf die Straße bekommen – nicht einmal eine Fahrradabstellanlage. Zwar gibt es jetzt einen Beschluss für einen
Fahrradweg nach Steinbach, aber innerhalb ihrer Kooperation immer noch Streit darüber, wie weit er denn gebaut werden soll. Folglich wird auch hier in den nächsten zwei Jahren wohl nichts
passieren.
Das gleiche Trauerspiel beim dringend benötigten Fußgänger und Radweg an der Sossenheimer Straße. Destruktiv sein, das können Sie. Für viel Geld wird gerade das Fahrrad-Vermietsystem
abgewickelt, die Stelle des Beauftragten für umweltgerechte Mobilität steht zwar jedes Jahr im Stellenplan, so auch 2018 wieder, ist aber seit knapp zwei Jahren unbesetzt.
In der Öffentlichkeit so tun als ob man etwas tun will und hintenherum dann alles blockieren. Dieses Prinzip verfolgen Sie ja nicht nur beim Radverkehr, sondern das machen sie genauso beim
Sozialen Wohnungsbau und bei der Sozialen Mitte.
Wenn wir es nicht genau wüssten, an Eschborns Wohnungspolitik ist nicht zu erkennen, dass Sozialdemokraten und sogar Linke an der Regierung beteiligt sind. Nennenswerte Erfolge haben Sie hier
auch im zweiten Jahr ihrer Regierungsbeteiligung nicht zu verbuchen. Seit Jahr und Tag legt Ihnen Stadtrat Ebert in den Ausschüssen die Zahlen der Menschen, die eine Sozialwohnung suchen auf
den Tisch. Nochmal für alle: 400 Haushalte, dahinter verbergen sich 750 Menschen, die eine Sozialwohnung suchen, nicht eingerechnet ca. 190 anerkannte Geflüchtete, nicht eingerechnet Menschen
im Familiennachzug. Sie betreiben „Vogel-Strauß-Politik“. Vor den unangenehmen Realitäten verschließen Sie die Augen. Seit über einem Jahr sind Sie nicht Willens oder nicht in der Lage die
fünf stadteigenen Grundstücke Ginsterweg, Eichfeldstraße, Königsberger Straße, Kronberger Straße und Sulzbacher Straße endlich dem Sozialen Wohnungsbau zuzuführen. Seit dem Frühjahr hört man
immer nur in der nächsten STAVO kommt es ganz bestimmt. „Morgen, morgen, nur nicht Heute“ Liebe SPD, liebe Linke den bedürftigen Menschen helfen ihre Streitereien in der Kooperation gar
nichts. Die schaffen keine einzige Wohnung. Während Sie noch streiten bauen Private im Zuge der Nachverdichtung bereits 150 Wohnungen. Die Kooperation Null.
Liebe Kooperation: Die Alten Mühle, dem Verfall preisgegebenes Schmuckstück die angebliche Herzensangelegenheit ihres Bürgermeisters ist inzwischen wohl das größte Insektenhotel in Eschborn,
wenn nicht sogar im Main-Taunus-Kreis.
Durch Untätigkeit Wohnraum schaffen klappt nur für Insekten, nicht für Menschen.
Der Blick in die Entwicklung der Altersstruktur in Eschborn zeigt: Den größten Anteil an Eschborns Bevölkerung hat die Gruppe der 50-65jährigen, gefolgt von 40-50jährigen und 30-40jährigen.
Die 4.stärkste Gruppe bilden Menschen über 65 Jahren. In Eschborn leben also mehrheitlich Familien und Senioren. Da ist es gut, dass Eschborn nun eine „Soziale Mitte“ und viele Angebote für
Familien und Kinder hat. Weniger gut ist es, dass die städtische Senioreneinrichtung immer noch fehlt.
Die Kirche hat inzwischen geliefert, während die Stadt noch nicht einmal begonnen hat.
Der Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende der GWE hat zum Projekt „Soziale Mitte“ nur zwei Dinge zu sagen: Erstens, ihm gefällt der Name Soziale Mitte nicht und er befürchtet zweitens,
dass Gemeindezentrum, Kindertagesstätte, Pflegeheim und Servicewohnen, die Soziale Mitte eben, bei anderen Quartieren zu Wertverlusten führen könnten. Wessen Bürgermeister sind Sie
eigentlich? Die Soziale Mitte jedenfalls hat Bürgermeister Geiger nie gewollt und das Projekt nach Möglichkeit wo er konnte verzögert. Die Parallelen zur Seniorenimmobilie in Niederhöchstadt
sind unverkennbar
Nehmen wir beispielsweise die Sitzung des Bau- und Umweltausschusses im Februar letzten Jahres: Da zog der Bürgermeister seinen eigenen Bebauungsplan zurück, damit dieser noch zu Gunsten
eines Parteifreundes, der im Geltungsbereich ein paar Häuser hat, geändert werden konnte. Haben Sie das in Ihren KOA-Runden ausgehandelt oder lief das FDP-intern?
Auch in seiner Rolle und Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der GWE hat Bürgermeister Geiger maßgeblichen Anteil daran, dass die GWE in der Sache bisher nicht wirklich vorankam. Schon
zwei Mal musste die GWE den zukünftigen Betreiber ausschreiben, weil der inzwischen kooperationsdominierte Aufsichtsrat sich mit dem Vorsitzenden Bürgermeister an der Spitze offensichtlich in
der Sache nicht einigen konnte. Nachzulesen ist dies übrigens im EU-Ausschreibungsportal. Wenigstens das ist transparent.
Auch unsere neun, im HFA gestellten – und von Ihnen ausnahmslos abgelehnten Anträge sind vom Leitgedanken „Infrastruktur“ geprägt. Sie tauchen auf der heutigen Tagesordnung nicht einmal mehr
auf, doch wir bringen sie hier und heute erneut zur Abstimmung ein und beantragen die getrennte Abstimmung der einzelnen Punkte, die ich im Folgenden kurz aufführen möchte. Im Detail finden
Sie die Änderungsanträge als Anlage zur Niederschrift der 12. HFA-Sitzung diesen Jahres:
1. Lfd. Nr. 3: Wir beantragen, dass sich die Stadt Eschborn mit 25.000 EUR an den Kosten für den Wiederaufbau des Frankfurter Goetheturms beteiligt.
2. Lfd. Nr. 4: Nachdem der Radsport seine Krise überwunden hat und das Traditionsrennen zum 01. Mai in eine höhere Liga mit Zugang zu höheren Sponsorengeldern aufgestiegen ist, beantragen wir
den Zuschuss der Stadt Eschborn um 100.000 EUR zu reduzieren.
3. Lfd. Nr. 5: Sie konnten oder wollten nicht darlegen, was da wo und mit welchen Erfolgsaussichten gemacht werden soll, auch zum Tierschutz schweigen Sie. Für die Freigabe von 50.000 EUR für
eine „Taubenabwehranlage“ ist uns das zu wenig. Wir beantragen die Streichung dieses Haushaltsansatzes.
4. Lfd. Nr. 7: Ein Bürgerbüro. Dessen Einrichtung hat insbesondere der Bürgermeister zwar immer wieder versprochen, entsprechende Anträge kamen jedoch nicht oder wurden immer wieder
abgelehnt. Wir fordern Sie auf, das den Bürgerinnen und Bürgern gegebene Versprechen einzulösen und beantragen dafür die Einstellung von Haushaltsmitteln in Höhe von 500.000
5. Lfd. Nr. 7: War ihnen die eben genannte „Taubenabwehranlage“ noch 50.000 EUR wert, so haben Sie für den Verein „Frauenwürde“ und deren in einem ausführlichen Schreiben begründeten Bedarf
neben Auflagen nur 15.000 EUR übrig. Dabei geht es hier um Menschenleben. Um Frauen und deren ungeborene Kinder, um es genauer zu sagen. Wir möchten nicht wie Sie am falschen Ende sparen und
beantragen die benötigten Mittel in Höhe von 25.000 EUR in den Haushalt einzustellen.
6. Lfd. Nr. 9.: Dass ihnen im Finanzhaushalt im Rahmen ihrer sorgfältigen Befassung mit dem Haushaltsentwurf 8,65 Mio EUR für die Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen an der L3005 fehlen ist
Ihnen gar nicht aufgefallen. Mit ihrer unter der lfd. Nr. 9a aufgeführten, Version unseres Antrags verlängern Sie die Lärmbelastung der Anlieger um mindestens ein weiteres Jahr. Wir wollen
diese Maßnahme nicht auf die lange Bank schieben und beantragen die erforderlichen Mittel in den Haushalt einzustellen.
7. Lfd. Nr. 10: Wir fordern Sie auf, beim RMV dahingehend aktiv zu werden, dass der für den schmucken S-Bahnhof Eschborn-Süd geltende Frankfurter RMV-Tarif auch auf die beiden maroden
Schandflecke Eschborn und Niederhöchstadt ausgeweitet wird. Wenn schon die Sanierung dieser beiden Bahnhöfe in weiter Ferne steht, dann sollten Reisende, die zwischen Frankfurt und diesen
beiden Bahnhöfen pendeln, für diese Zumutung nicht auch noch einen höheren Fahrpreis zahlen. Geben Sie ihre Untätigkeit auf und treten in Verhandlungen mit den Verantwortlichen des RMV ein!
Wie machen Sie die geschlossene Ablehnung dieses Antrags eigentlich Ihren Wählerinnen und Wählern klar? Wir geben Geld für immer mehr Straßen aus, sind aber nicht bereit, in Busse und Bahnen
zu investieren. Daher beantragen wir 1,5 Mio. EUR, um die Mobilität unserer Bürger zu verbessern und die Tarifungerechtigkeit zwischen Eschborn-Süd, Eschborn und Niederhöchstadt
auszugleichen.
8. Lfd. Nr. 11: Die Bedeutung von Bienen für unser Ökosystem, Obstbauern und Lebensmittelproduktion muss ich Ihnen hoffentlich nicht erst erklären. Ohne Imker sähe es schlecht aus mit der
Bienengesundheit, daher beantragen wir einen einmaligen Zuschuss der Stadt Eschborn in Höhe von 2.000 EUR an den Imkerverein Bad Soden und Umgebung. Das sind gut investierte 3,21 EUR für
jedes der derzeit 624 Bienenvölker, die von den in diesem Verein organisierten Imkern betreut werden. 14 dieser Imker leben übrigens in Eschborn.
9. Lfd. Nr. 12: Wir beantragen 8 Millionen für die Vollendung der Sozialen Mitte, damit die GWE endlich die finanzielle Sicherheit hat, dieses wichtige soziale Projekt umzusetzen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Dieses Redemanuskript finden Sie in Kürze auch auf unserer Website.
Rednerin: Bärbel Grade, Fraktionsvorsitzende. Es gilt das gesprochene Wort.